Welch ein spannendes Jahr 2025! Gleich zwei Jubiläen, am Anfang des Jahres meine Vollendung des 8. Lebensjahrzehnts. Wie in den letzten Jahren üblich haben wir im Januar um meinen Geburtstag herum einige Tage auf einer der Nordseeinseln verbracht. Wie damals vor 20 Jahren zu Beginn unseres Insel-Hoppings fuhren wir auch dieses Mal nach Norderney.
Unweit vom Strand am südwestlichsten Zipfel der Insel befand sich unsere Unterkunft. Schneegestöber blies uns diesmal nicht ins Gesicht. Wie damals setzte sich Jutta wieder auf die Schaukeln am Strand. Der kalte Wind hielt die Krähen nicht davon ab, am Spülsaum sich mit den Möwen um angeschwemmte Gänsekadaver zu streiten.
Im Juni dieses Jahres dann ein weiteres Highlight: unsere Goldene Hochzeit! Ein besonderes Ereignis erfordert eine besondere und individuelle Würdigung. Unsere zweite Hochzeitsreise sollte sich von unseren sonstigen Reisen unterscheiden.
Seit letztem Jahr besitzen wir E-Bikes. Vor der Corona-Pandemie hatte ich einmal eine Reportage über eine Alpenüberquerung per Fahrrad gesehen. In unseren vorbereitenden Planungen erinnerte sich Jutta daran und regte unsere gemeinsame Radtour gen Süden an.
Eifriges Recherchieren und sorgfältiges Auswählen nahmen uns in den Wintermonaten in Anspruch. Fündig geworden konnte Jutta digitale Routenführungen verfeinern. Mir überließ sie den analogen Part. Mit Beginn der Radsaison verbesserten wir unsere Fitness auf dem Rad und trainierten lange Anstiege und steile Abfahrten. Im Untertaunus preschten wir über Waldwege auf die umliegenden Berge, im flacheren Hinterland machten wir Strecke.
Auf den Spuren der alten Römer mit modernen E-Bikes. Die VIA CLAUDIA AUGUSTA von Füssen über die Alpen nach Riva del Garda wollten wir bewältigen und heil wieder zurückkommen. Das ist uns gelungen.
Als letzte Hürde galt es, den Transport unserer eigenen Räder an den Ausgangspunkt zu organisieren. Mit Hilfe unserer Kinder und deren Wohnmobil schafften wir auch das. Alexander brachte uns samt unserem Gepäck und den Rädern nach Füssen. Sabrina und Zora würden uns aus dem Allgäu wieder abholen.
- Füssen – Schwangau
Nach einer entspannten Fahrt kamen wir am Nachmittag in Füssen an. Beim ersten Anblick der Alpen fragte ich, was uns wohl geritten habe, darüber fahren zu wollen.
Wegen der frühen Ankunft fuhr Alexander anders als ursprünglich geplant gleich wieder zurück in den Rheingau. Er hatte Samuel versprochen, am Sonntag zum Bikertreffen nach Rüdesheim zu fahren. Versprechen soll man halten.
Unser Hotel lag mitten in der historischen Altstadt. Der abendliche Bummel auf der Suche nach einem passenden Restaurant erschloss uns die touristische bayrische Stadt. Der Kellner bediente uns mit seiner devoten Wiener Dienstbeflissenheit und strich beständig die Haare seiner Perücke zurecht, putzig.
Zur Abkühlung am Ende des heißen Tages noch ein Eis. Es sollten die bislang heißesten Tage des Jahres werden.
Eigentlich wollten wir entspannen und uns mental auf die Etappen vorbereiten. Weil wir in der Stadt fast alles gesehen hatten, fuhren wir in Abänderung unseres ursprünglichen Planes dann doch mit unseren Rädern im Schwangau herum. Am Lech entlang, dann die Schlösser in Sichtweite, zum Lechfall und zuletzt mit den Füßen ins kalte Wasser des Flusses.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 2-6
- Füssen – Imst
Am Montag, 23.06.2025, starteten wir unser Abenteuer. Jutta kontrollierte konzentriert die digitale Streckenführung auf ihrem Smartphone. Mir hatte sie aus den Reiseunterlagen die analoge Streckenbeschreibung passend für meine Lenkertasche herausgeschnitten. Beide Varianten erwiesen sich im weiteren Verlauf der Tour als sehr hilfreich.
Vom Hotel über den zentralen Platz, steil hinunter zum Fluss, linker Hand vor der Steilwand ein Haus mit der Aufschrift unseres Vorhabens, am Lechfall vorbei und dann waren wir auf der VIA CLAUDIA AUGUSTA.
Wir hatten uns vorgenommen, mindestens alle 15 Kilometer eine Trinkpause einzuhalten. Bei der ersten Bank im Schatten nach dieser Distanz gönnten wir uns die erste Erfrischung. Nach kurzer Rast ging es weiter. Noch konnten wir nicht einschätzen, wie wir mit den Etappen zurechtkommen. Wir sollten zur festgelegten Uhrzeit am Treffpunkt für den Transfer über den Fernpaß sein.
Die beiden Pässe hatten wir uns nicht zugetraut. Für den späteren Reschenpaß war unsere Entscheidung richtig.
Jutta fuhr wie vereinbart voraus. Wenn sie einmal auf dem Rad sitzt, ein Ziel hat, dann fährt sie los wie eine geölte Maschine. In Nauders angekommen fanden wir nicht sofort die vereinbarte Bushaltestelle. Einen markanten Orientierungspunkt, Touristinfo, hatte ich gesehen. Den eigentlichen Treffpunkt, Hotel Edelweiß mit der Bushaltestelle, den nicht.
Mein Rufen hatte Jutta nicht gehört. Sie fuhr unbeirrt weiter nach der angezeigten Streckenführung, weil sie vergessen hatte, die komplette Etappe ohne Berücksichtigung des Transfers eingespielt zu haben.
Plötzlich waren wir beide alten Rentner mit unseren Fahrrädern auf dem Zubringer zur Schnellstraße nach Reutte.
Zurück in der Ortsmitte in der Nähe des Tourismusbüros angekommen fanden wir schließlich den Treffpunkt und waren wieder eine Stunde vor der Zeit dort. Von einem freundlichen Fahrer wurden wir begrüßt, unsere Räder auf den Anhänger aufgeladen und durchschnaufend ließen wir uns über den Pass chauffieren.
Den Fernpaß hatten wir hinter uns, vor uns lagen aber trotzdem noch die Berge. Auf Empfehlung unseres Fahrers machten wir in Nassereith erst einmal eine Pause zum Essen. Ein Gewitterregen vertrieb uns von der Terrasse ins Innere des Restaurants. Die weitere Fahrt zum ersten Etappenziel absolvierten wir ohne Probleme.
In Imst angekommen erwartete uns allerdings eine weitere Überraschung. Der „Fahrradkeller“ befand sich im 3. Stock! Das Hotel lag am Hang. Auf der Rückseite führte eine viel befahrene Straße vorbei. Über einen steilen Abhang habe ich unsere beiden Räder bergauf schieben müssen. Wenigstens am nächsten Morgen hatten wir Hilfe bekommen.
Aus unserem Zimmer beobachteten wir mit Sorge die dunklen Regenwolken. Der skurrile Glockenturm der nahen Kirche passte nicht so richtig ins Bild, die rot-violetten Geranien schon eher.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 7-13
- Imst – Mals im Vinschgau
Am nächsten Morgen waren die dunklen Wolken verschwunden. Die Sonne begleitete uns wieder den ganzen Tag. Der Inn blinkte im hellen Morgenlicht neben unserem Radweg. Auf unserer Tour flussaufwärts wird er uns noch eine Weile begleiten.
Zu unserem nächsten Treffen mit dem Shuttlebus fuhren wir durch ein enger werdendes grünes Tal. An den dunkleren Hängen waren kleine Kirchen mit spitzen Türmen zu erkennen. Am Horizont versperrt nicht nur ein prächtiger Baum die Sicht. Auch die Berge stehen im Weg.
Nach ein paar Steigungen waren wir am Bahnhof in Landeck wieder vor der Zeit angekommen und warteten auf unseren Transfer. Sicher rückwärtsfahrend stellte unser Begleiter sein langes Gespann zwischen den parkenden Autos punktgenau vor uns ab. Schnell waren unsere E-Bikes aufgeladen und wir drei auf dem Weg zum Reschenpaß.
Wieder allein auf den Rädern fuhren wir mehrere Steigungen in Richtung Reschensee, ständig auf der Lauer, nach der nächsten Kuppe den alten Kirchturm zu sehen.
Kurz vor dem letzten recht steilen Anstieg hätten wir, wie von Jutta gewünscht, einkehren sollen. Vor dem vor uns liegenden ersichtlich steilen Anstieg wollte ich aber durchfahren, in der Hoffnung, einen einladenderen Gasthof anzutreffen als die, welche wir an der Stelle vorfanden. In den endlosen Obstgärten fanden wir kein Restaurant mehr.
Wir fuhren auf der westlichen Seite, der Kirchturm steht auf der anderen Seite. Von unserem Standpunkt aus war zu erkennen, dass durch den niedrigen Wasserstand sich ein Landstreifen gebildete hatte und der Turm sich in einer Lagune im Wasser spiegelte. Die umliegenden Berge bildeten sich ebenfalls im Stausee ab.
Noch ein paar Fotos aufgenommen und weiter ging es den jetzt den nach Meran weisenden Hinweisschildern folgend zu unserem nächsten Etappenziel in Mals.
Selbstverständlich waren wir auch hier wieder recht früh in dem kleinen Ort Mals angekommen. Im ersten Anlauf verfehlten wir unseren „Hirschen“. Jutta ging in dem zu dieser Zeit menschenleeren Dorf auf die Suche. Eine junge Frau erklärte mir den Weg, an einer Baustelle vorbei, an der nächsten Straße links halten und dann war unsere Übernachtungsstätte schon zu sehen.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 14-21
- Mals im Vinschgau – Meran
Ab jetzt wird die Etsch unsere ständige Begleiterin sein. Dem Fluss folgten wir nun in der richtigen Richtung: flussabwärts! Im hellen Morgenlicht durchfuhren wir eines der mittelalterlichen Stadttore von Glurns.
Vor dem Tor tauschten wir uns mit einem englischen Ehepaar über die weitere Routenführung aus. Beide sind auf einem Tandem mit viel Gepäck unterwegs. Später werden wir sie noch einmal bei einer Rast treffen. Ich fragte mich, wie sie mit dem beladenen Tandem eine Durchfahrtsperre an einer kurzen steilen Steigung nur geschafft haben, an der ich absteigen musste.
Jetzt mussten wir nur noch das richtige Ufer der Etsch finden und nicht in die Obst- und Weingärten fahren. Glitzernd im Morgenlicht fließt der hier noch schmale Fluss gen Süden. Die schneebedeckten Gipfel der Ortlergruppe voraus ragen weit über 3.000 Meter in die Höhe. Nein, darüber müssen wir nicht.
Durch einen lichten Wald folgten wir der Streckenführung über einen holprigen Schotterweg. Seitwärts von den Abhängen herunter sprudeln kleine Bäche talwärts. Einen besonders eindrucksvollen Bach lohnt es, ihn abzulichten.
Mich zog es auf der anderen Seite hinunter an sein Ufer. Aus Juttas Blickfeld verschwunden löste es gleich ihr besorgtes Rufen nach mir aus. Sie mag es nicht, wenn ich, ohne sie zu informieren, die Wege verlasse und in unübersichtliches Gelände verschwinde.
Unterwegs zum Marmordorf Laas hatten wir noch eine lustige Begegnung. Am Ortseingang angekommen hielten wir an einer Straßeneinmündung und überlegten, ob wir uns den Ortskern anschauen sollten. Links neben uns in Richtung des Dorfplatzes stand ein Ehepaar an dem Vorfahrt-achten-Schild und diskutierte ebenfalls. Rechts neben mir standen ein paar große graue Mülltonnen am Straßenrand.
Während Jutta schon weiter fuhr, hörte ich plötzlich hinter mir ein Gerumpel. Mich umdrehend bemerkte ich einen dieser Rennradfahrer, wie er offensichtlich ohne zu bremsen in die Ansammlung der Mülltonnen hineingefahren war und jetzt erst einmal die Tonnen sortierte, um wieder freie Fahrt zu haben. Sein Ärger wurde sicherlich noch verstärkt, weil er die enteilte Jutta, die von dem ganzen Trubel nichts bemerkt hatte, vor dem nächsten Hügel nicht einholen konnte.
Kurz vor dem Stadtzentrum von Meran wurde eine steile Serpentinenpassage angezeigt. Darauf waren wir nicht vorbereitet. In sieben sehr kurzen und sehr engen Schleifen ging es bergab. Besonders für Jutta war es eine große Herausforderung. Mit klopfendem Herzen unten angekommen löste sich unsere Anspannung in einem befreiten Lachen. Auf der längsten Etappe dieser Tour haben wir auch diese Herausforderung gemeinsam geschafft.
Am Abend in Meran suchten wir die Arkaden, unter denen wir vor über 20 Jahren schon einmal wandelten. Abseits der Touristenansammlungen fanden wir ein gutes Restaurant. Meinen ersten Limoncello während dieser Radtour hatte ich verdient. Mit einem obligatorischen Eis für mich und einem Tee für Jutta schauten wir den flanierenden Menschen auf der Promenade zu, bevor wir zurück zu unserem Hotel gingen.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 22-28
- Meran – Auer
Von Meran aus starteten wir wieder recht früh. Entlang der jetzt breiteren Etsch zog sich der Radweg durch endlos erscheinende Obstgärten. Jetzt weiß ich, woher die Äpfel aus Italien kommen.
Auf diesen flachen Strecken waren nun häufiger Pulks von diesen Jersey-Fahrern anzutreffen. Nach der Definition unseres Freundes aus Perth ist ein Jersey-Fahrer durch ein möglichst teures Rennrad, die aktuelle Rennbekleidung, möglichst mit greller Reklame, und einen grimmig entschlossen Blick charakterisiert.
Solchen rasenden Formationen sollte man in eigenem Interesse den von ihnen belegten Raum überlassen. Mich hat es das eine oder andere Mal gereizt, auch etwas breitschultrig zu fahren. Letztlich überwog meine Vorsicht und Juttas Ermahnung.
Auer war unser abendliches Ziel. Den Ortsnamen im Blick folgten wir der Beschilderung und nahmen den vor uns liegenden extrem steilen Anstieg in Angriff. Schnaufend auf halber Höhe angekommen, akzeptierte Jutta die digitale Anzeige der Abweichung zu unserer programmierten Route.
Nach kurzer Beratung, dem Abgleich mit der analogen Wegbeschreibung und der Orientierung im Gelände fuhren wir bis ins Tal zurück. Wir folgten den alternativen Wegmarkierungen durch die Weinberge.
Unser nächstes Ziel war der Kalterer See. Den See im Blick rasteten wir im Schatten eines Baumes. Jutta übermittelte unserer Tochter ein Foto von unserem Ausblick, weil sie mit ihrer Familie im letzten Jahr auch hier gewesen war.
Überraschend bekam Jutta plötzlich unerwartete Rückmeldungen von allen ihren Netzbekanntschaften. Es bedankten sich Verwandte und Freunde aus ganz Europa, aus Kanada, Südafrika und Australien. So viel Zustimmung, auch von in letzter Zeit selten kontaktierten Bekannten, machte sie misstrauisch und besorgt. Letztlich stellte sich heraus, dass es offensichtlich aufgrund eines Software-Updates des Netzanbieters zu einer Fehlfunktion gekommen war. Lustig ist es trotzdem gewesen.
Die Beschilderung des Radweges durch die Weinberge stimmte wieder mit der digitalen Anzeige überein. Wir erreichten wieder die Etsch und fuhren die Ufer wechselnd schließlich in Auer ein.
Im Dunst des Nachmittags nur schemenhaft abgebildet, ragte der spitze Kirchturm am Abend vor den dunklen Regenwolken deutlicher hervor. Das aufziehende Gewitter machte uns nichts aus, wir waren schon im Trocknen.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 29-38
- Auer – Trient
Am nächsten Morgen strahlte wieder die Sonne. Kleine Wölkchen durchzogen das Tal. Der breite asphaltierte Radweg war bequem zu befahren. In den Obstplantagen am Rande der Radwege waren die Sprinkleranlagen im Einsatz. Auch wir wurden hin und wieder getroffen. Jutta meinte, das wäre nichts für unseren Enkel: „Oma, nicht duschen!“
Die flachen Strecken nutzten auch wieder Rennfahrergruppen in beiden Richtungen. Wenn Frauen mitfuhren, waren sie noch herausfordernder und die meist jungen Frauen verbissener, so schien es uns.
Durch die Regenfälle der letzten Tage leiteten die Nebenflüsse ockerfarbiges lehmiges Wasser in die Etsch ein. Es war interessant zu sehen, wie sich die unterschiedlichen Wasser vermengten.
Der jetzt behäbige erscheinende Fluss schien an einer Stelle unsichtbar vor den Bergen zu enden. Für uns beide die Gelegenheit, vor der brennenden Sonne im Schatten der Bäume eine Trinkpause einzulegen.
Zu unserem nächsten Etappenziel fuhren wir die meiste Zeit bergab mit wenigen moderaten Steigungen. Kurz vor Trient erwartete uns wieder ein steiler Anstieg. Ungefähr 200 Höhenmeter mit mehr als 10 Prozent Steigung verlangte unseren ganzen Einsatz nach fast 50 Kilometern zurückgelegter Strecke. Das Ende unserer Reise vor Augen hatten wir uns mehr als sonst üblich von unseren Motoren unterstützen lassen.
Oben angekommen ging es dann wieder runter auf etwa die vorherige Höhe. Am Rande des Stadtzentrums an der Etsch-Brücke angekommen ging es an der Baustelle des Kreisverkehrs über Stadtstraßen mit ungewohnt vielen Verkehrsteilnehmern zu unserem Hotel. Im klimatisierten Restaurant aßen wir eine Kleinigkeit und konnten die leuchtende Temperaturanzeige beobachten: 37 Grad am frühen Nachmittag!
Zum Abendessen schlenderten wir zum historischen Stadtkern auf der Suche nach einem Restaurant, welches Juttas besonderer Ernährungsweise entgegenkam. Vorbei an ein paar Schnellgaststätten schauten wir in das elegante Restaurant am Grünen Stadtturm – noch geschlossen, direkt an der belebten Straße und nicht so recht nach unserem Geschmack.
Hinter der Kirche Santa Maria Maggiore, in der 1545 das Tridentinum eröffnet wurde, versteckte sich hinter einer hohen Hecke eine schattige Terrasse, auf der gerade die Tische eingedeckt wurden. Hier wären wir gerne eingekehrt, jedoch die Speisekarte orientierte sich an für Jutta nicht verträglichen Speisen.
Eine schwarze Tafel mit weißer Kreideschrift lockte uns in eine Passage, an deren Ende wir in einem Garten die passende Gastlichkeit schließlich genießen konnten. Die in einem kleinen Teich herumschwimmenden Goldfische beschäftigten uns, während wir auf unsere Speisen warteten.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 39-47
- Trient – Riva del Garda
Beim Start am nächsten Morgen weit vor 9 Uhr zeigte das Thermometer 25 Grad. Um diese Zeit war nicht so viel los auf den Straßen in der Innenstadt. Unbehelligt gelangten wir wieder an die Etsch-Brücke am Fuße der Seilbahn, wo wir am Vortag die richtige Abzweigung aus dem Kreisverkehr suchten.
Auf dem Radweg in Richtung unseres Endzieles Lago del Garda wechselten wir einige Male die Ufer der Etsch. Um diese Zeit waren wir fast allein unterwegs. Die Berge wurden kleiner, die Obstgärten blieben unübersichtlich gleich groß. Eingerahmt von in sattem Grün wachsenden Büschen und Bäumen fließt die breite Etsch südöstlich ihrer Mündung in der Po-Ebene entgegen. In der Nähe von Mori endete auch unsere Fahrt auf der VIA CLAUDIA AUGUSTA, die sich ebenfalls in südöstlicher Richtung fortsetzte.
Für uns ging es weiter auf dem Radweg zum Gardasee. Hinauf zum Passo San Giovanni, dem höchsten Punkt an diesem Tag, noch einmal kurz hinunter und ebenso wieder hinauf, dann sollte er zu sehen sein, der Lago di Garda. Kurz vorher hielten wir an einem Parkplatz und lauschten den Anweisungen einer Trainerin an ihre Radfahrer für die folgende Abfahrt, welche auch für uns hilfreich waren.
Einen kleinen Zwischenfall gab es doch noch. Abfahrbereit standen wir auf dem durch einen Bauzaun verengten Radweg, als ein Rabauke von hinten uns anbrüllte und schimpfend vorbeifuhr. Erschreckt verhedderte sich Jutta mit dem Lenker im Zaun und fiel vom Rad ins Gebüsch auf der anderen Seite. Passiert ist uns nichts, konsterniert waren wir beide.
Leidlich erholt von dem einzigen unangenehmen Vorkommnis während der gesamten Tour bestiegen wir wieder unsere Räder. Ein paar Kilometer fuhren wir angespannt neben Autostraßen und Verkehrskreiseln in der Mittagshitze weiter. Dann erreichten wir den letzten Parkplatz oberhalb des Sees.
Geschafft, dort unten liegt er im Dunst! Weiße Segelboote als kleine Flecken gleiten durch das tiefblaue Wasser. Da ist sie auch, die von Jutta gefürchtete gerade Straße hinunter. Die Autos unten sehr klein. Wer die sieben Serpentinen vor Meran geschafft hat, wird auch diese Strecke bewältigen. Tatsächlich ging es viel leichter als befürchtet.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 48-59
Unten in Torbole durchquerten wir auf den vorgesehenen Radwegen vorsichtig die voll belegten Liegewiesen der Strandbäder. In Riva angekommen war die Zufahrt zum See wegen einer internationalen Regatta mit 29er-Jollen gesperrt.
Schließlich gelangten wir am Torre Apponale vorbei auf die Piazza III Novembre. Links ein Hotel, geradeaus ein Hotel, hinten rechts noch ein Hotel, nur unser Hotel Centrale haben wir nicht gesehen, auch nicht auf dem angrenzenden Platz vor dem mittelalterlichen Gebäude der damaligen Gemeindevertretung.
Die Kellner des den Platz dominierenden Restaurants standen in den Tischreihen und beobachten uns schon, wie wir suchend und verschwitzt hin und her fuhren. Ich stellte mein E-Bike ab und fragte einen von ihnen nach unserer Bleibe. Der angesprochene junge Mann lächelte, zeigte nach hinten und sagte: „Dort ist die Reception.“ Die große Neonreklameschrift auf dem Dach hatten wir wegen der aufgespannten Sonnenschirme nicht sehen können.
In allen unseren Unterkünften konnten wir unsere Räder sicher unterstellen und die Akkus aufladen. Die Stellplätze befanden sich im 3. Stock, in angeschlossenen Parkhäusern, über eine steile Treppe zu erreichende Keller oder wie in Riva in einem rückwärtigen Bürgerhaus mit großem lichten Innenhof. Falls wir Hilfe benötigten, haben wir sie immer bekommen.
Zuerst die Pferde versorgen, dann nach dem Gepäck schauen und danach erst die Zimmer aufsuchen und uns selbst versorgen. So hatten wir es die ganze Zeit gehalten. Für die nächsten Tage verschlossen wir unsere Räder und waren glücklich, die anstrengende Tour ohne Zwischenfälle bewältigt zu haben.
Am Abend blickten wir aus unserem Hotelzimmer über die Piazza zum Hafen hinunter auf die auf der Kaimauer stehende moderne Skulptur.
Bei geöffnetem Fenster waren die Leute auch zu später Stunde noch deutlich zu hören. Weit nach Mitternacht wurden wir durch sehr lautes Singen, Gespräche und Gelächter geweckt.
Unten auf dem Platz vor unserem Fenster versammelte sich eine Gruppe junger Frauen. Sie saßen vor den abgeräumten Tischen, tranken und grölten in die Nacht. Die vor ihnen stehende Vorsängerin, gab den Takt des Gesanges rhythmisch mit aufstampfendem Fuß vor. Bester Laune sangen die anderen den mir nicht verständlichen Refrain. Ausdauer und Stimmvolumen hatten sie reichlich.
Einerseits ein beeindruckendes Szenario, andererseits ein mir den Schlaf raubendes Gebrüll. Die direkt vor dem Haus hinter ihnen sitzende Männerrunde störte es nicht in ihrer akzentuierten Unterhaltung, mich schon.
Am offenen Fenster brüllte ich wütend hinunter und bat um Ruhe, ohne Erfolg. Die jungen Mädel hörten es noch nicht einmal und sangen fröhlich weiter. Die Männer hielten kurz inne, schauten zu mir nach oben und setzten ihre Diskussionen fort.
Ich gab auf. So gegen 4 oder 5 Uhr morgens wurde es ruhiger auf dem Platz. Dann hörte ich die Versorgungs- und Müllfahrzeuge.
Die junge Rezeptionistin hatte beim Einchecken auf meine Frage geantwortet, dass es am Wochenende etwas laut werden könnte. Die Fenster des Hotels halten die Zimmer aber ruhig. Jutta erinnerte mich daran, das half. Ich schloss das Fenster und überließ die Kühlung der leisen Klimaanlage.
Halbwegs ausgeruht betrachtete ich am sonnigen Morgen das metallene Gekringel am Hafen. Für den Sonntag hatten wir uns eine Bootsfahrt auf dem Gardasee vorgenommen. Für eine Rundfahrt hätten wir früh aufstehen und den ganzen Tag einplanen müssen.
Wir spazierten zum Anleger und entschieden uns für einen kurzen Trip an das östliche Seeufer. Das Entenpaar verabschiedete uns. Die Route führte über Torbole und Limone nach Malcesine. Der obere westliche Teil des Gardasees ist eingezwängt in die steil aufragenden Klippen, die sich im Wasser malerisch spiegeln. Je weiter der See sich öffnete, desto mediterraner zeigte sich die Landschaft. Limone bot einen malerischen Anblick. Der Name ist abgeleitet vom lateinischen Limes, der früheren Grenze der Republik Venedig.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 60-73
Im pittoresken Malcesine streiften wir durch die schmalen schattigen Gassen. Die Pfarrkirche Santo Stefano erhebt sich auf einem Hügel in der touristisch geprägten Stadt.
Über der Stadt thront das Castello Scaligero mit seinen typischen Zinnen, die Schwalbenschwänzen ähneln. Unterhalb der Festung suchte Jutta nach einer besonderen kleinen Gasse, die in die alte Festungsmauer eingefügt sein sollte. Von dem jetzt auf Fußgänger umgestellte Navigationssystem konnten wir es nicht auf die winkligen Gassen übertragen. Eine alte Frau, die vor ihrem kleinen Laden mit künstlerischen Fotografien saß, zeigte uns wortlos den richtigen Weg.
Auf dem Rückweg hinunter zum Hafen erfreuten wir uns an dem herrlichen Ausblick und beachteten auch die kleinen Lebewesen auf den bemoosten alten Mauern. Anders als wir hat der kauernde Boring Man am Kai im Porto Vecchio sicher nicht die blonde Frau im Schatten oder den Zweimaster auf dem See gesehen.
Die schwarzen Tupfer auf dem See waren Surfer, die vermutlich auch eine Regatta fuhren. Auf unserer Rückfahrt legten wir wieder in Limone an.
Zurück im Hafen von Riva gingen wir vom Anleger zurück zum Platz vor dem alten Uhrturm Apponale. Bei dem abendlichen Bummel durch die Stadt war es am Ufer des Sees angenehm kühl.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 74-94
Am nächsten Tag durchstreiften wir die Altstadt von Riva. Vom Springbrunnen am alten Markt liefen wir zu dem Brunnen der kleinen Meerjungfrau. Am Brunnen erinnert eine Messingplatte an Goethe, der auf seiner Italienreise hier gewesen sein soll. Nur wenige Meter weiter steht die alte Wasserburg La Rocca.
Das prunkvoll ausgestaltete Mittelschiff der Kirche Parrocchia di Santa Maria Assunta zog schon am frühen Morgen Besucher an. Im Schatten der Kirchen waren ein paar Marktstände mit regionalem Angebot aufgebaut.
Am anderen Ende des alten Stadtkerns durchschritten wir das östliche Stadttor, dessen Turm auch Schwalbenschwanzzinnen zierte. Außerhalb der alten Stadtmauer steht die Barockkirche Chiesa dell’Inviolata, die geschlossen war. In dem Ortsteil trafen wir nicht nur auf Touristen, hier wohnten die Einheimischen. Auf dem Rückweg zum alten Markt im Zentrum konnten wir noch interessante Fassaden betrachten.
Am Nachmittag lag die Rückseite des alten Rathauses in grellem Sonnenlicht. Auf unseren Spaziergängen durch die Stadt nutzten wir jeden Schatten aus. Die Cafés und Eisdielen waren willkommen für ein leckeres Eis oder einen belebenden Tee.
Morgens am letzten Tag unseres Aufenthaltes holte Julian uns für den Rücktransport am Hotel ab. Seinen Bus mit dem Anhänger parkte er mitten auf dem Platz vor dem alten Rathaus. Fahrräder und Gepäck wurden verladen, zusammen mit einem Ehepaar aus der Schweiz und zwei weiteren Ehepaaren aus Deutschland ging es zuerst nach Innsbruck. Dort wechselten wir zu Ferdinand, einem Tiroler, der uns gleich mit einem Jodler begrüßte. Die Schlager im Radio sang er mit und war insgesamt recht unterhaltsam.
Deshalb war es für Jutta ein Leichtes, um unseren Weitertransport von Füssen zu unserer Ferienwohnung in Oberjoch zu bitten. Gegen Entgelt hatten wir nun auch eine bequeme Rückreise für den letzten Abschnitt des Transfers.
Bildergalerie VIA CLAUDIA AUGUSTA 95-112
Für die Hinfahrt von Füssen nach Riva del Garda benötigten wir 6 Tage, der Transfer zurück dauerte 6 Stunden.
Auf unserer Radtour über die Alpen haben wir mehrere Grenzen überschritten, an unsere eigenen gelangten wir nicht.
Die von unserer Tochter verordneten anschließenden Klettertouren auf dem Schmugglerpfad im Allgäu sind eine andere Geschichte.
Juni / Juli 2025