Die Leute vom Bau hatten mich rechtzeitig über das bevorstehende Betonieren des Straßenunterbaus informiert. Morgens um 4 Uhr sollte es beginnen. Auch für mich begann der Besuch der Baustelle früher als sonst. Unten im Tal zeichnen sich zwei helle Bögen vor dem Hintergrund der grünen Bäume ab. Die Betonpumpen sind also schon im Einsatz.
Die Arbeitsschuhe des fotogenen Kranführers stehen einsam auf dem Brückenkopf. Die wärmenden Jacken sind ausgezogen und hängen auf dem Gerüst. Heute tragen die Betonwerker Gummistiefel.
Sie haben ihr Tagewerk tatsächlich bei Sonnenaufgang begonnen. Der größte Teil des Unterbaus der Straße ist schon gegossen. Der Polier Harald begrüßt mich mit freundlich vorwurfsvollem Unterton: „Wo sind Sie heute früh denn gewesen?“ Ich antwortete: “Im Bett.“ Dieser Wortwechsel veranschaulicht ein weiteres Mal den vertrauten Umgang der arbeitenden Mannschaft mit dem dokumentierenden Fotografen.
Knöcheltief stehen die Arbeiter im breiigen Beton. Aus dem beweglichen Schlauch am Ende der Betonpumpe pladdert die graue Maße auf die Armierung und versickert im Untergrund. Mit einem Rüttler wird die nasse Pampe verfestigt. Es dürfen keine Blasen oder Hohlräume entstehen.
Auf der Hotelseite sind die Arbeiten schon etwas weiter fortgeschritten. Mit dem blauen Gestell wird der Beton glattgezogen. Angetrieben über eine Kurbel zieht ein dickes Drahtseil dieses blaue Bügeleisen Meter für Meter voran. Der Betonuntergrund für die spätere Fahrbahn ist zur Seite hin verschalt. Rote Gurte halten die Bretter in ihrer Position.
Bildergalerie Brücke Niedernhausen – Unterbau Teil 1
Auf der ZAK-Seite kann ich das Verfüllen des Betons noch eine Zeit lang beobachten. Der Nachschub wird mit Rechenbrettern verteilt und dann fast andächtig verdichtet. Langsam ist auch auf dieser Seite die Brücke bis zum Widerlager fertig gegossen. Am Ende wird das blaue Gerät nicht mehr benötigt. Der Kranführer hebt es hoch und transportiert es zur Demontage auf den Platz vor der Rampe.
Hier wird die Betonpumpe nicht mehr gebraucht. Zusammengefaltet wird sie auf dem Transporter abgelegt. Überschüssige Betonreste werden in Kübel gefüllt und neben der Brücke zwischengelagert.
Nach einem interessanten Intermezzo mit einem Fahrer eines der großen Betonmischer laufe ich über die Brücke hinüber zur anderen Seite. Auf dem Wege dorthin passiere ich die Männer mit den interessanten Maschinen, welche die Unebenheiten in der aushärtenden Oberfläche beseitigen.
Auch hier werden die Abschlussarbeiten sorgfältig erledigt. Schließlich kann die Schüppe an die Seite gestellt und das blaue Bügelgestell weggehoben werden. Zur Mittagspause sind die Maschinen zum Plätten am Rande der Straße abgestellt.
Für mich ist es Zeit, die Brücke aus einer Perspektive festzuhalten, wie wir sie nun häufig sehen werden.
Bildergalerie Brücke Niedernhausen – Unterbau Teil 2
Bleibt nur noch die Story mit dem LKW-Fahrer nachzutragen.
Auf der ZAK-Seite war ich während einer kurzen Pause mit den Leuten vom Bau im Gespräch. Hier war alles fertig, die Betonpumpe verstaut, der LKW weggefahren. Plötzlich tauchte ein Betonmischer auf dem Platz vor der Brücke auf. Der Fahrer kam zu uns fragte den Vorarbeiter, wo er denn seine mitgeführte Last abladen soll.
Es stellte sich heraus, dass auf der Hotelseite noch eine kleine Menge Beton nachgeordert worden war. Der freundliche Vorabeiter erklärte dem Fahrer den Weg dorthin: „Zurück bis zur Ampel, dann rechts Richtung Autobahn bis zur nächsten Ampel, dann rechts bis zur nächsten Ampel, dann wieder rechts, weiter immer geradeaus und dann bist Du da.“ Der Fahrer wendete seinen schweren LKW und fuhr los.
Es dauerte nicht lange, dann lief der arme Kerl völlig aufgelöst und lamentierend vor uns hin und her. Er finde die Baustelle nicht. Keiner will ihm helfen, er wisse nicht mehr, was er tun soll. So lief er greinend auf und ab, obwohl ihm nochmals der Weg zur anderen Seite ruhig erklärt worden war.
Ganz verzweifelt rannte er in Richtung des Gartenbaubetriebes, ohne mein Hilfsangebot wahrzunehmen. Ich stieg von der Brücke hinunter und lief ihm hinterher. Jetzt sah ich erstaunt, dass sein großer Betonmischer blinkend auf dem schmalen Weg stand, der von weiter unten von der Landstraße zu dem Gartenbaubetrieb führte.
Gerade noch rechtzeitig vor dem Starten seines LKW erreichte ich ihn und bot ihm an, ihn zur anderen Seite zu leiten. Ich kletterte zu ihm in das Führerhaus und setzte mich neben einen zitternden, schmächtigen Mann.
Sein Fahrzeug füllte die gesamte Breite der asphaltierten Behelfsstraße aus. Auf meiner Seite konnte ich noch etwa zwei Handbreit unbefestigten Straßenrand sehen, daneben der steile Abhang zu den Feldern. Auf seiner Seite streifte der Betonmischer die überhängenden Büsche.
Er startete, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr sehr langsam los. Er jammerte immer noch unentwegt. Ständig griff seine rechte Hand nach einem Gebetskranz auf dem Armaturenbrett, fingerte nach den einzelnen braunen Kugeln und betete halblaut in einer mir unverständlichen Sprache.
Wir bewegten uns behutsam auf die rechtwinklige Kurve zu. Danach führte die Baustraße die Wiesen hinunter auf die Landstraße. Immer noch heulend und betend bugsierte er sein Auto zurück, bis wir endlich die Straße erreichten. Dann konnte auch ich wieder aufatmen und jetzt fuhren wir rechts, zweimal Ampel, zweimal rechts und dann hatten wir es geschafft.
Unterwegs erzählte mir mein Fahrer, jetzt ganz gelöst, dass er eigentlich schon Feierabend habe und nur ein paar Kubikmeter abliefern sollte und es ihm egal gewesen wäre, wenn sein Chef ihn gefeuert hätte. Er wollte doch nur noch heim.
An jeden noch so kleinen Weg auf der rechten Seite sei er in den Wald hineingefahren, die Baustelle habe er aber nicht gefunden. Wir beide kamen unbeschadet an. Vor der Baustelle habe ich ihm noch geholfen, seinen Mischer bequem zu wenden, damit er rückwärts zum Entladen heranfahren konnte. Als er schließlich den Motor abstellte, sprach er strahlend zur mir: „Sie haben mir den Arsch gerettet!“
Ich kletterte aus dem hohen Führerhaus und war zufrieden.